Ich stehe in der Garderobe
des Amalien-Hallenbades in Wien.
Mit mir sind noch zwei weitere Frauen hier,
beide so um den 50/60-Dreh rum. Sie beginnen miteinander zu plaudern
(vielleicht verbindet Alter ja) und ich höre gezwungenermaßen zu. Das Gespräch
startet harmlos, ja fast unschuldig, doch innerhalb weniger Sekunden macht es
eine ordentliche Kehrtwende. Plötzlich fängt die eine Frau an so dermaßen über
„die Ausländer“ zu schimpfen, dass ich weder länger zu hören kann, noch will.
Mit den Worten: „Ganz so stimmt das aber nicht.“, versuche ich meine
Argumentation höflich zu starten, aber jeglicher Fakt prallt an dieser Dame ab, wie Schaumstoffbälle
an Panzerglas. Ich war ja immerhin auch noch nicht in Afrika, deswegen bin ich
ja weltfremd und weiß halt nicht wie „die Ausländer“ so ticken. Jaja- weil
Afrika ja auch das universelle Land ist, aus dem alle Flüchtlinge kommen,
und kein Kontinent mit vielen verschiedenen Ländern, deren Kulturen sich
mitunter sehr voneinander unterscheiden.
Als selbst meine Argumentation von
wegen „subsidiärer Schutz- Asylverfahren- Arbeitsberechtigung etc.“, sie nicht davon abbringt zu behaupten
„die Ausländer sind dumm und deswegen haben sie keinen Job“- gebe ich auf und
wir einigen uns darauf uns nicht zu einigen. Sie nennt mich noch einen
Gutmenschen, was aus dem Mund einer FPÖ-Wählerin glaube ich als Schimpfwort
verstanden werden kann, und geht aus der Umkleide hinaus.
Ich versuche mich zu
sammeln.
Wenige Stunden
später stehe ich am Bahngleis „Traiskirchen Lokalbahn“ und bin gespannt was mich erwartet. Auch ich
bin ja nicht vom Mond und habe mir schon den ein oder anderen Bericht über das
Flüchtlingslager angesehen. Ich gehe die Straße entlang, immer den
Menschenmassen folgend, und vertraue darauf, dass ich so schon hinfinden werde.
Und es sind in der Tat Massen, die hier unterwegs sind. Letzte Woche war ich auf einem großen Festival
(Frequency) und ein bisschen erinnert mich mein jetziger Weg daran. Sowohl da
als dort stehen und gehen überall Menschen und leider, sowohl da als dort sind
die Straßen ziemlich verdreckt. Man kann nicht sagen, dass es Müll ist, was
hier liegt, denn das trifft nicht zu. Es sind zum Beispiel Stöckelschuhe, oder
Winterstiefel, die ich, zwischen 1000 Teile Puzzles und Hosen, entdecke.
Nachdem ich die ersten Autos voll bepackt mit Sachspenden erkenne, kann ich mir
einen Reim auf die herren(frauen)losen Gegenstände auf dem Asphalt machen:
Ungezieltes, planloses Helfen ist wohl der Verursacher. Menschen kommen mit den
besten Absichten und 100 Kilo Kleidung her und laden beides dann hier ab. Aber
wenn man zuvor nicht schaut, was wirklich gebraucht wird, dann bleibt eben auch
manches zurück. Der Stöckelschuh zum Beispiel ist ja auch wirklich nicht
sonderlich praktisch, wenn man am Morgen aus dem nassen Zelt in den kalten Gatsch steigen
muss, um aufs verdreckte Dixi-Klo zu gehen…
Ich habe noch
ungefähr eine halbe Stunde, bis der Deutschkurs anfängt und weil ich sowieso
orientierungslos bin, irre ich einfach weiter umher und warte einfach was
passiert. Ein Zaun trennt mich von den Zelten und dem eigentlichen
Flüchtlingsgebäude und als ich ein Foto machen möchte, weist mich ein
Security-Kerl darauf hin, dass das nicht erlaubt sei.
Ich gehe näher an den
Zaun ran und spreche zwei Frauen mit 2 kleinen Kindern an. Wie lange sie schon
da sind, interessiert mich, woher sie kommen, oder wie alt die Kinder sind.
Deutsch sprechen die Frauen nicht. Und
auch Englisch nur sehr bruchhaft. So fuchteln wir also mit Fingern,
Händen, Armen und Beinen herum, um uns, durch die Gitterstäbe hinweg, ein wenig
verstehen zu lernen. Es klappt: ich finde heraus, dass sie aus Syrien und erst
seit 10 Tagen hier sind, dass das Mädchen 3 Jahre alt ist und dass sie sich für die andere Kleine einen Kinderwagen wünschen. Ich freue mich die Frauen kennengelernt zu
haben und ich glaube es beruht auf Gegenseitigkeit, denn zum Abschied strecken
wir unsere Hände durch den Zaun und schütteln sie- mit einem Lächeln im
Gesicht.
Ein afghanischer
Junge spricht mich an und fragt mich auf Englisch, ob ich eine Lehrerin vom
Deutschkurs sei. Ich bejahe, füge aber auch hinzu, dass ich nicht weiß wie und
wo der stattfinden soll und ich frage, ob er mich hinführen kann. Schon sind
wir unterwegs zum Park. Dort angekommen sitzen schon ein paar Leute am Boden
und ich beschließe mir ein paar abzuzwacken und ihnen mit meinen gebastelten
Karten, ein paar Tiere bei zu bringen. Es sind 12 junge Afghanen, die mir
begeistert zuhören und ehrgeizig nachsprechen.
„Fosch?“
„Fast. FRRRRosch!
Und wie macht der Frosch?“
„Der Frosch macht
Quak“
Sie lernen
schnell und gern und ich bin mir nicht sicher wer begeisterter ist: Sie oder
ich. Am Ende spielen wir noch eine Runde Obstsalat, nur dass wir anstatt Obst,
alle ein Tier sind.
Um 17:30 ist die Deutschstunde zu Ende und viele der
Afghanen bedanken sich bei mir. Zwei fragen sogar, ob ich morgen wieder komme
und ich habe das Gefühl, dass ihnen diese tägliche Deutschstunde wirklich viel
bedeutet. Es geht nämlich nicht primär darum Deutsch zu lernen, sondern
vielmehr ist es eine Beschäftigung. Eine Tätigkeit in mitten von endlosem
Warten-Müssen und ich glaube sie schätzen diese eine Stunde „Tun“ mehr, als wir
uns vorstellen können.
Hier endet mein
Bericht nun auch. Morgen werde ich wieder nach Traiskirchen fahren und dann werden
wir wirklich Obstsalat spielen können, denn ich habe vor ihnen Obst und Gemüse
beizubringen.
-„Ich mag Apfel.“
-„Ich mag Äpfel. ÄÄÄÄpfel.
Ein Apfel- viele Äpfel.“,
so, oder so ähnlich, wird das morgen wohl sein.
So und jetzt wollt ich noch ein paar tolle Links teilen.
(ein Willkommens-Brief Projekt. Super schön und sehr leicht zum Selbstmitmachen)
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