Dienstag, 25. August 2015

Traiskirchen- oder: Wie macht der Frosch?


Ich stehe in der Garderobe des Amalien-Hallenbades in Wien. 
Mit mir sind noch zwei weitere Frauen hier, beide so um den 50/60-Dreh rum. Sie beginnen miteinander zu plaudern (vielleicht verbindet Alter ja) und ich höre gezwungenermaßen zu. Das Gespräch startet harmlos, ja fast unschuldig, doch innerhalb weniger Sekunden macht es eine ordentliche Kehrtwende. Plötzlich fängt die eine Frau an so dermaßen über „die Ausländer“ zu schimpfen, dass ich weder länger zu hören kann, noch will. 
Mit den Worten: „Ganz so stimmt das aber nicht.“, versuche ich meine Argumentation höflich zu starten, aber jeglicher Fakt prallt an dieser Dame ab, wie Schaumstoffbälle an Panzerglas. Ich war ja immerhin auch noch nicht in Afrika, deswegen bin ich ja weltfremd und weiß halt nicht wie „die Ausländer“ so ticken. Jaja- weil Afrika ja auch das universelle Land ist, aus dem alle Flüchtlinge kommen, und kein Kontinent mit vielen verschiedenen Ländern, deren Kulturen sich mitunter sehr voneinander unterscheiden. 
Als selbst meine Argumentation von wegen „subsidiärer Schutz- Asylverfahren- Arbeitsberechtigung  etc.“, sie nicht davon abbringt zu behaupten „die Ausländer sind dumm und deswegen haben sie keinen Job“- gebe ich auf und wir einigen uns darauf uns nicht zu einigen. Sie nennt mich noch einen Gutmenschen, was aus dem Mund einer FPÖ-Wählerin glaube ich als Schimpfwort verstanden werden kann, und geht aus der Umkleide hinaus. 
Ich versuche mich zu sammeln.

Wenige Stunden später stehe ich am Bahngleis „Traiskirchen Lokalbahn“  und bin gespannt was mich erwartet. Auch ich bin ja nicht vom Mond und habe mir schon den ein oder anderen Bericht über das Flüchtlingslager angesehen. Ich gehe die Straße entlang, immer den Menschenmassen folgend, und vertraue darauf, dass ich so schon hinfinden werde. Und es sind in der Tat Massen, die hier unterwegs sind.  Letzte Woche war ich auf einem großen Festival (Frequency) und ein bisschen erinnert mich mein jetziger Weg daran. Sowohl da als dort stehen und gehen überall Menschen und leider, sowohl da als dort sind die Straßen ziemlich verdreckt. Man kann nicht sagen, dass es Müll ist, was hier liegt, denn das trifft nicht zu. Es sind zum Beispiel Stöckelschuhe, oder Winterstiefel, die ich, zwischen 1000 Teile Puzzles und Hosen, entdecke. Nachdem ich die ersten Autos voll bepackt mit Sachspenden erkenne, kann ich mir einen Reim auf die herren(frauen)losen Gegenstände auf dem Asphalt machen: Ungezieltes, planloses Helfen ist wohl der Verursacher. Menschen kommen mit den besten Absichten und 100 Kilo Kleidung her und laden beides dann hier ab. Aber wenn man zuvor nicht schaut, was wirklich gebraucht wird, dann bleibt eben auch manches zurück. Der Stöckelschuh zum Beispiel ist ja auch wirklich nicht sonderlich praktisch, wenn man am Morgen aus dem nassen Zelt in den kalten Gatsch steigen muss, um aufs verdreckte Dixi-Klo zu gehen…

Ich habe noch ungefähr eine halbe Stunde, bis der Deutschkurs anfängt und weil ich sowieso orientierungslos bin, irre ich einfach weiter umher und warte einfach was passiert. Ein Zaun trennt mich von den Zelten und dem eigentlichen Flüchtlingsgebäude und als ich ein Foto machen möchte, weist mich ein Security-Kerl darauf hin, dass das nicht erlaubt sei. 
Ich gehe näher an den Zaun ran und spreche zwei Frauen mit 2 kleinen Kindern an. Wie lange sie schon da sind, interessiert mich, woher sie kommen, oder wie alt die Kinder sind. Deutsch sprechen die Frauen nicht. Und auch Englisch nur sehr bruchhaft. So fuchteln wir also mit Fingern, Händen, Armen und Beinen herum, um uns, durch die Gitterstäbe hinweg, ein wenig verstehen zu lernen. Es klappt: ich finde heraus, dass sie aus Syrien und erst seit 10 Tagen hier sind, dass das Mädchen 3 Jahre alt ist und dass sie sich für die andere Kleine einen Kinderwagen wünschen. Ich freue mich die Frauen kennengelernt zu haben und ich glaube es beruht auf Gegenseitigkeit, denn zum Abschied strecken wir unsere Hände durch den Zaun und schütteln sie- mit einem Lächeln im Gesicht.

Ein afghanischer Junge spricht mich an und fragt mich auf Englisch, ob ich eine Lehrerin vom Deutschkurs sei. Ich bejahe, füge aber auch hinzu, dass ich nicht weiß wie und wo der stattfinden soll und ich frage, ob er mich hinführen kann. Schon sind wir unterwegs zum Park. Dort angekommen sitzen schon ein paar Leute am Boden und ich beschließe mir ein paar abzuzwacken und ihnen mit meinen gebastelten Karten, ein paar Tiere bei zu bringen. Es sind 12 junge Afghanen, die mir begeistert zuhören und ehrgeizig nachsprechen.

„Fosch?“
„Fast. FRRRRosch! Und wie macht der Frosch?“
„Der Frosch macht Quak“

Sie lernen schnell und gern und ich bin mir nicht sicher wer begeisterter ist: Sie oder ich. Am Ende spielen wir noch eine Runde Obstsalat, nur dass wir anstatt Obst, alle ein Tier sind. 
Um 17:30 ist die Deutschstunde zu Ende und viele der Afghanen bedanken sich bei mir. Zwei fragen sogar, ob ich morgen wieder komme und ich habe das Gefühl, dass ihnen diese tägliche Deutschstunde wirklich viel bedeutet. Es geht nämlich nicht primär darum Deutsch zu lernen, sondern vielmehr ist es eine Beschäftigung. Eine Tätigkeit in mitten von endlosem Warten-Müssen und ich glaube sie schätzen diese eine Stunde „Tun“ mehr, als wir uns vorstellen können.

Hier endet mein Bericht nun auch. Morgen werde ich wieder nach Traiskirchen fahren und dann werden wir wirklich Obstsalat spielen können, denn ich habe vor ihnen Obst und Gemüse beizubringen.

-„Ich mag Apfel.“

-„Ich mag Äpfel. ÄÄÄÄpfel. Ein Apfel- viele Äpfel.“, 

so, oder so ähnlich, wird das morgen wohl sein. 




So und jetzt wollt ich noch ein paar tolle Links teilen.


(ein Willkommens-Brief Projekt. Super schön und sehr leicht zum Selbstmitmachen)